Autismus ist für Familien und Betroffene ein steiniger Weg

 

Bilder aus der Ausstellung:

Wir begegnen Eltern, die von dem steinigen Weg sprechen, von jungen Erwachsenen, die den Weg steinig nennen, von Jugendlichen, die erfahren, wie viele Steine auf ihrem Weg liegen, über die sie immer wieder stolpern und oft nicht weiter wissen.

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Autismus entsprechen nicht dem „Normalbild“ unserer Gesellschaft. Sie werden „anders“ erlebt, und man findet keinen Zugang zu ihnen. Sie sind anders. Und gerade Jugendliche und junge Erwachsene, die dann nach der Diagnose erfahren haben, dass sie Autist:in sind, nehmen es an, ja sind oft sogar froh, dass sie nun etwas mehr Klarheit über sich haben. Sie wissen, dass sie „neurodivers“ sind. Aber was bedeutet das schon? Sie entsprechen nicht dem, was in unserer Gesellschaft als „typisch“ – also „neurotypisch“ ist.

Seit 2011 setzt sich das Konzept der neurobiologischen Unterschiede durch und wird als Neurodiversität bezeichnet. Sie umfasst jedwede Form neurologischer Zustände. Nach diesem Konzept sind alle Menschen neurodivers und Autismus stellt nur eine Variante dar und betrifft eine spezielle Untergruppe von Neurodiversität. Autismus umfasst die Minderheit der Menschen, die nicht neurotypisch (NT) sind. Trotz des breiten Ansatzes der Neurodiversität bezeichnen sich Menschen mit Autismus als neurodivers (ND).

Und gerade diese Unterscheidung drückt aus, dass sie sich neuronal unterscheiden. Eigentlich sind doch alle Menschen divers. Wer entspricht schon der „Norm“? Wer und was ist denn normal? Kinder und Jugendliche und Erwachsene mit Autismus fallen halt durch dieses Raster, was man als „normal“ ansieht. Und das macht den Weg steinig. Was abweicht vom „Normalen“, dafür gibt  es keine „Regeln“.

Und meist beginnt es schon damit, dass Kinder in ihrem Verhalten als auffällig wahrgenommen werden. Der Kontakt mit anderen Kindern ist auffällig, sie kommunizieren anders, sie verhalten sich anders. Und dann wird den Eltern empfohlen, das Kind doch einmal untersuchen zu lassen. Und damit beginnt der steinige Weg. Oft heißt es dann: „Ihr Kind hat ADHS. Ihr Kind ist hochbegabt. Die Entwicklung Ihres Kindes ist nicht normal (schon wieder diese Wort).“ Oder noch schlimmer: „Sie erziehen das Kind nicht richtig. Das Kind ist unerzogen.“ Und den Eltern wird die Schuld gegeben. Die Folge: das Kind oder sogar die ganze Familie werden ausgegrenzt.

Auf einmal stehen die Eltern alleine da und suchen nach Hilfe. Aber wer kennt sich aus? Viele Lehrer – viele Pädagogen können damit nicht umgehen, weil sie oft darüber nicht Bescheid wissen. Oder sie wollen damit nicht umgehen, da es sie von einem „normalen“ Unterricht abhält. In der Allgemeinheit herrscht oft noch die Auffassung, dass Autismus eine tiefgreifende Beeinträchtigung darstellt. Wie oft passiert es, dass solche Kinder auf „Sonderschulen“ verwiesen werden. Auch das stellt sich aber nicht als Lösung heraus.

Steine aus dem Weg räumen

Es gibt heute vielfältige Möglichkeiten, Eltern von autistischen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu helfen. Aber zuerst muss die Hürde der Diagnose genommen werden. Und dazu werden Fachleute gebraucht. Fachleute, die sich mit Autismus und den so unterschiedlichen Darstellungsformen auskennen. Ärzte und Therapeuten mit den Kenntnissen und Erfahrungen sind selten. Hinzukommt, dass es lange Wartezeiten für einen Termin gibt.

Und erst wenn die Diagnose „Autismus“ getroffen ist, kann das Räumen der Steine langsam, ganz langsam beginnen. Auch das wieder ein weiter Weg: Therapie, Schulbegleitung, Studienbegleitung, Alltagsbegleitung, Betreuung von Wohngruppen und vieles mehr ist möglich – aber auch das unterliegt wieder vielen Einschränkungen und heißt, Hürden nehmen. Anträge müssen gestellt werden, Finanzierungen zugesichert, Therapeut*innen, Schul-, Studien- und Alltagsbegleiter*innen gefunden werden. Wartezeiten…

Aber alles spielt sich dort ab, wo die Wege „normal“ zu sein haben. Schulbesuch, Studium, Ausbildung und Beruf.

Ein Angebot in „Freiräumen“, in den nicht geregelten Bereichen gibt es heute nicht.

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